„Im Gegensatz zu den letzten Großereignissen bin ich dieses Mal ohne großen Erwartungen nach Spanien zur Weltmeisterschaft gereist“, so Thomas Brüchle nach dem Abschluss der diesjährigen Weltmeisterschaft im Para-Tischtennis, die vom 6. bis zum 12. November in Granada, Spanien stattfand. Die Vorbereitung zum diesjährigen Großereignis verlief vor allem aufgrund kleinerer Erkrankungen im Vorfeld alles andere als optimal. Auch die Ergebnisse bei den beiden Weltranglistenturnieren, an denen Thomas Brüchle im Jahr 2022 teilgenommen hatte, waren gemischt – einem wirklich guten Turnier in Montenegro stand eine eher durchwachsene Leistung beim Turnier in Slowenien gegenüber. „Das war bisher aus sportlicher Sicht kein einfaches Jahr für mich“, sagte Brüchle im Vorfeld der WM. „Viele kleinere Infekte ließen kaum kontinuierliches Training zu.“ Umso höher sind die Erfolge einzustufen, die Thomas Brüchle schließlich bei der Weltmeisterschaft feiern konnte.
Die erste Überraschung gab es bereits am Vorabend der ersten Wettkämpfe, als Thomas vom Team ausgewählt wurde, bei der Eröffnungsfeier und dem Einzug der Nationen in die Wettkampfhalle das deutsche Team zu repräsentieren. Neben dem tollen Auftakt waren auch die restlichen Bedingungen in Granada ideal und einer Weltmeisterschaft mehr als würdig. Die professionellen Bedingungen in der Wettkampfhalle und auch im Hotel standen den WTT-Turnieren im olympischen Sport in nichts nach. Nicht nur die Lichteffekte der vielen LED-Leinwände, sondern auch die Tatsache, dass alle acht Wettkampftische im Internet kostenlos gestreamt wurden, verliehen der Veranstaltung einen extrem professionellen Charakter.
Die Titelkämpfe begannen für Thomas am Sonntag mit dem Start im Mixed-Wettbewerb. Der im Para-Tischtennis in diesem Jahr neu eingeführte Wettkampfmodus ersetzt gemeinsam mit dem Doppel-Wettbewerb die bisher ausgetragenen Team-Wettbewerbe. Aufgrund der guten Setzung stieg Thomas Brüchle an der Seite seiner Mixed-Partnerin Sandra Mikolaschek (Borussia Düsseldorf) erst im Viertelfinale in das Turnier ein und konnte dort gegen einen eher schwächeren Gegner direkt einen souveränen 3:0-Sieg einfahren. Im Halbfinale wartete dann die „Material-Kombination“ aus Serbien. In einem hochspannenden und nervenaufreibenden Spiel konnten Thomas und Sandra die serbische Paarung mit Konzentration, Wille und Nervenstärke geradezu niederringen. Die mentale Leistung des deutschen Mixed, das in diesem Spiel mehrere deutliche Punkterückstände aufholen konnte, ist dabei nicht hoch genug einzuschätzen. Mit dem Einzug ins WM-Finale hatten die beiden dann die Chance auf eine Revanche gegen das südkoreanische Mixed, dem man beim Weltranglistenturnier in Lasko, Slowenien noch mit 1:3 recht deutlich unterlegen war. Die Paarung aus Südkorea hatte auf ihrem Weg ins Final bis zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Satz abgegeben und mit sehr überzeugenden Leistungen ihre Favoritenrolle in diesem Finale unterstrichen. Umso wichtiger, dass das deutsche Duo direkt im ersten Satz stark aufspielte und bei Satzgewinn den Koreanern kaum Chancen ließ. Wie zu erwarten, fand das gegnerische Mixed in den Sätzen zwei und drei jedoch immer besser ins Spiel und konnte sich so eine 2:1-Satzführung erarbeiten. Nachdem im vierten Satz bei einem Punkte-Rückstand von 6:9 für Thomas und Sandra der WM-Titel schon fast verloren schien, konnten die beiden nach (erfolgreichem) Time-Out wiederum diesen Rückstand aufholen und sich in den fünften und entscheidenden Satz kämpfen. In diesem spielen Brüchle/Mikolaschek erneut sehr stark auf konnten sich schließlich nach einem 11:8 über den WM-Titel freuen. „Das ist wirklich Wahnsinn. Wir haben im Vorfeld natürlich mit einer Medaille geliebäugelt, aber dass es am Ende Gold wird – gegen das sehr starke südkoreanische Duo – das hätten wir kaum für möglich gehalten“, so Thomas Brüchle nach dem gewonnenen Finale. Dieser Sieg bedeutete gleichzeitig die erste Goldmedaille für das deutsche Team bei dieser Weltmeisterschaft.
Einen Tag nach dem Erfolg im Mixed starteten für Thomas dann auch die Einzelwettkämpfe. Im Achtelfinale traf er vor großer Kulisse auf den Lokalmatadoren Rodriguez. Mit einem ungefährdeten 3:0-Sieg gegen den Spanier, der an diesem Tag nach mehreren Jahrzehnten im Para-Sport sein letztes Spiel auf internationaler Ebene absolvierte, zog Thomas ins Viertelfinale ein. Dort zeigte er gegen Dauerrivale Ohgren aus Schweden seine beste Leistung seit Jahren und konnte erneut einen überraschend deutlichen 3:0-Erfolg feiern. Von Beginn an agierte Thomas extrem konzentriert und sehr offensiv und ließ zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Zweifel aufkommen. Bereits im Vorfeld der Einzelwettkämpfe war klar, dass Thomas in einem eventuellen Halbfinale vermutlich auf Nationalmannschaftskollege Tom Schmidberger treffen würde. Zwar war Thomas mit seiner gezeigten Leistung in diesem Halbfinale bei der 0:3-Niederlage gegen Tom unzufrieden, war aber dennoch mit dem dritten Platz und dem Gewinn der Bronzemedaille mehr als zufrieden. Gegen den späteren Weltmeister auszuscheiden ist schließlich keine Schande. „Auch wenn ich im Spiel gegen Tom leider nicht an meine Leistung im Viertelfinale anknüpfen konnte, bin ich dennoch sehr zufrieden mit dem Turnierverlauf. Ich fliege mit zwei Medaillen im Gepäck nach Hause – eine davon sogar in Gold. Es war im Vorfeld eher eine vage Hoffnung zusammen mit Sandra Mixed-Weltmeister zu werden. Das haben wir geschafft und darüber bin ich sehr glücklich“, resümiert Brüchle nach dem Gewinn der Bronzemedaille. „Mein Dank gilt vor allem Sandra, meine Coach und Landestrainer Mozza und der hervorragenden physiotherapeutischen Betreuung durch Lisa (ehemalige Regionalligaspielerin bei Tischtennis Frickenhausen), die mich vor Ort unterstützt und gepusht haben, aber natürlich auch allen, die mich von zu Hause aus angefeuert und die Daumen gedrückt haben.“
Viel Zeit zur Erholung bleibt Thomas aber nicht. Am 26. November findet der erste Spieltag in der Rollstuhl-Bundesliga statt und in der Meisterschaftsrunde in der Herrenmannschaft bei Tischtennis Frickenhausen stehen auch noch einige wichtige Spiele an.
Fotos: Hannes Doessler