Neuland betritt Tischtennis Frickenhausen im Herbst: Für den vor zwei Jahren aus TTC und TSV fusionierten Verein beginnt das „Abenteuer Rollstuhl-Tischtennis-Bundesliga“. Nach dem freiwilligen Rückzug des TTC Frickenhausen aus der Zweiten Tischtennis-Bundesliga wird es dann in der Sporthalle auf dem Berg im Erich-Scherer-Zentrum Frickenhausen wieder Bundesliga-Tischtennis zu sehen geben. „Wir wollen eine neue Ära nach dem Profigeschäft einleiten“, sagt Erich Unger, der Präsident von TT Frickenhausen. Der
Täles-Club hat eigens eine Behindertensportabteilung gegründet, künftig spielen acht Rollstuhlfahrer für Frickenhausen in der Bundesliga und der Regionalliga um Punkte, außerdem vier stehend Behinderte in Einzelwettkämpfen.

Colin Judge

„Zugpferd“ und „Anführer“ ist der zweimalige Paralympics-Teilnehmer, Welt- und Europameister Thomas Brüchle, der nicht nur mit seinem irischen Partner Colin Judge (25) – Europameister 2017 im Einzel und dreimal irischer Meister – versuchen wird, den vierten Abschlussrang in der Bundesliga (damals noch im Trikot des SV Salamander Kornwestheim) zu verbessern, sondern auch als Rollstuhlfahrer in der
Landesklasse mit der ersten Männermannschaft zu bestehen. Der 43-Jährige, Weltranglisten-Vierter in der Wettkampfklasse 3, gewann mit dem deutschen Team bei den Paralympics sowohl in London 2012 als auch in Rio de Janeiro 2016 die Silbermedaille, wurde 2014 mit einem Sieg im Finale gegen China MannschaftsWeltmeister (diesen Titel verteidigte er mit Deutschland drei Jahre später) und holte insgesamt sechs Titel bei Europameisterschaften. Seit Juni 2011 spielt er ununterbrochen fürs Nationalteam.
Sechs weitere Rollstuhlfahrer – Thomas Neumahr, Sarah Kornau, Alba Balzquez, Markus Korioth, Philipp Stöckeler und Maximilian Jacob – kämpfen zudem in der Regionalliga und bei Para-Turnieren für TT Frickenhausen um Punkte, ebenso die „Fußgänger“ Michael Roll, dem der linke Unterarm fehlt (fünf Mal Deutscher Meister Herren Einzel), Sebastian Rösenberg mit Asperger-Syndrom (Sieg bei den Special
Olympics 2014 in Düsseldorf, Württembergischer Meister 2015 und 2019), Michel Rist und Stefan Strobel (mehrmaliger Deutscher und Baden-Württembergischer Meister und Vize-Meister Schadensklasse WK7).

Foto Bela Sportfoto

ZinCo seit 30 Jahren treuer Sponsor des Tischtennissports in Frickenhausen
„Der gesamte Verein hat die Planungen von Anfang an sehr positiv und aufgeschlossen aufgenommen, und unser Ziel ist es, eine Anlaufstelle und eine Hochburg für Spielerinnen und Spieler mit körperlichen Einschränkungen zu werden“, verrät Jürgen „Max“ Veith, auch bei TT Frickenhausen Manager, Motor und „Mädchen für alles“. Ulrich Schäfer steht der Gründung der TT-Behindertensport

abteilung ebenfalls sehr positiv gegenüber: „Das ist eine tolle Erweiterung der Angebotspalette des Vereins, und die integrative Wirkung gefällt mir!“ Mit seiner Firma ZinCo ist er einer der ältesten Unterstützer des Tischtennissports in Frickenhausen, seit 30 Jahren besteht die Verbindung, „das ist eine Super-Sache und heutzutage keinesfalls selbstverständlich“, wie es „Max“ Veith dankbar vermerkt.

Die Angliederung einer Behindertensportabteilung bei TT Frickenhausen kam zustande, weil Anika Müller sich in den beiden letzten Jahren bei Salamander Kornwestheim um die Organisation vorwiegend des Bundesliga-Teams gekümmert hatte. Die 24-Jährige, die in Ludwigsburg ihren Master für Lehramt Sonderpädagogik „baut“, spielt seit ihrem achten Lebensjahr Tischtennis, trainierte eine Zeitlang die TTCJugend und gehört der Frauenmannschaft in der Oberliga an. 2014 legte Anika Müller am Nürtinger MaxPlanck-Gymnasium ihr Abitur ab, später wurde sie Trainerin des Landeskaders im Rollstuhl-Tischtennis.
Dabei lernte sie dann Thomas Brüchle kennen, und beide wurden ein Paar.
Auf ihre Initiative hin richtete TT Frickenhausen im November 2019 einen Spieltag der Rollstuhl-Bundesliga aus. „Die Resonanz sowohl bei den Besuchern als auch in der Berichterstattung war außergewöhnlich gut“, blickt sie zurück, „im Laufe des Tages kamen fast 100 Zuschauer, sonst sind es maximal zehn“. Für „Max“ Veith ist das Interesse des Tischtennis-Publikums im Täle erklärbar: „Die Paras bieten ganz
besondere und sehr gute sportliche Leistungen, da kann man nur den Hut ziehen!“ Er verweist darauf, dass Thomas Brüchle, der im Alter von zehn Jahren durch eine plötzliche Rückenmarksblutung in den Rollstuhl gezwungen wurde, auch bei den Nichtbehinderten große Erfolge im Tischtennis vorweisen kann. So spielte er Jahre lang bei seinem Heimatverein TSG Lindau-Zech in der ersten Männermannschaft und stieg mit dem SV Deuchelried bis in die Verbandsklasse auf.
Den Unterschied zwischen Rollstuhltischtennis und dem gewohnten regulären Spielbetrieb der „Fußgänger“ erklärt Thomas Brüchle: „Es ist viel mehr von Taktik geprägt, weil man immer auf die Schwäche des Gegners spielt, wo er sich nicht hinbewegen kann. Bei den Nichtbehinderten geht es mehr über Schnelligkeit, und ich versuche, den Gegner auszublocken.“ Gegner in der Bundesliga sind Meister (zum
fünften Mal in Folge) Borussia Düsseldorf, der RSV Bayreuth 1, die RSG Koblenz, der RSC Frankfurt/Main, die BSG Duisburg und die zweite Bayreuther Mannschaft. Gespielt wird pro Saison an zwei Vorrundensowie an zwei Rückrundenspieltagen, jedes Team tritt zweimal gegen jede andere Mannschaft an.

Frickenhausener Damen im 21. Jahr in Folge in einer DTTB-Spielklasse
Nach dem – coronabegünstigten – Klassenverbleib treten die Damen aus dem Neuffener Tal im 21. Jahr in Folge in einer der DTTB-Spielklassen an: In der Oberliga Baden-Württemberg heißen die Gegner ab Herbst TTV Burgstetten, TTV Ettlingen, TSV Herrlingen, 1. TTC Ketsch, TTC Lützenhardt 1976, NSU Neckarsulm II, TTC Singen, TV St. Georgen und ESV Weil II. Zum Saisonauftakt steht am 26. September ein Auswärtsspiel beim Abschluss-Siebten der vergangenen Saison, dem 1. TTC Ketsch, an, ehe am 11. Oktober das erste Heimspiel gegen den Vorjahres-Dritten TSV Herrlingen stattfindet.